SOEP-CoV Spotlight #1

Ergebnisbericht, Version: 21 Juni 2020

Familienleben in Corona-Zeiten

von Sabine Zinn

Die durch die Corona-Pandemie bedingten Einschränkungen der letzten Wochen hatten weitreichende Auswirkungen auf das Familienleben, die bis heute nachwirken. Der Schulbetrieb läuft deutschlandweit nur langsam wieder an. Kinderbetreuung ist nur für bestimmte Kinder (vor allem Vorschulkinder, Kinder von Alleinerziehenden und Kinder system-relevanter Eltern) möglich. Viele Eltern arbeiten noch immer vollständig oder teilweise im Homeoffice.

Wie organisieren Männer und Frauen Haushalt und Kinderbetreuung?

Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, wie Familien mit den Einschränkungen umgegangen sind. Wie haben sie die Kinderbetreuung zusammen mit der normalen Hausarbeit (d.h. das Kochen, Putzen und Waschen) organisiert? Gibt es hier Unterschiede zwischen Frauen und Männern, zwischen Familien in Ost- und Westdeutschland? Welche Rolle spielt dabei die Art der Erwerbstätigkeit?

Um diese Fragen zu beantworten, wurden die Daten der SOEP-CoV Studie genutzt. Konkret wurden die Daten zur Zeitverwendung für Kinderbetreuung und Hausarbeit in Haushalten mit Kindern bis zu 16 Jahren für April 2020 analysiert. Um einen Eindruck davon zu gewinnen, inwieweit sich die Anzahl der Stunden, die Frauen und Männer für diese Aufgaben aufbringen, im Vergleich zum Vorjahr verändert hat, haben wir vergleichbare Daten aus dem Sozio-Oekonomischen Panel (SOEP) von 2019 herangezogen. Das SOEP ermöglicht Hochrechnungen auf alle Privathaushalte in Deutschland für alle Jahre von 1984 bis heute.

Das Ergebnis dieser Analysen zeigt: In der Corona-Zeit (konkret im April 2020) erhöht sich im Vergleich zum Vorjahr die Gesamtstundenzahl, die Frauen und Männer durchschnittlich an Werktagen mit Kinderbetreuung und Haushalt verbringen. Dabei übernehmen Frauen – wie schon im Vorjahr – mehr Kinderbetreuungs- und Hausarbeit als Männer. Sie verbringen an Werktagen im April 2020 durchschnittlich 7,6 Stunden mit der Kinderbetreuung, bei den Männern sind es 4,2 Stunden. Bei der Hausarbeit erhöht sich im Vergleich zum Vorjahr die Stundenzahl bei Frauen und Männern gleichermaßen um circa eine halbe Stunde. 2019 verbrachten die Frauen an Werktagen durchschnittlich 5,3 Stunden mit Kinderbetreuungsarbeit, während das bei Männer ungefähr 2 Stunden lang der Fall war. Außerdem verbrachten die Frauen im Schnitt täglich 2,1 Stunden mit Hausarbeit, die Männer nur knapp eine Stunde.

Die nachfolgende Abbildung zeigt die durchschnittliche Anzahl an Stunden, die Frauen und Männer mit Kindern bis zu 16 Jahren in der Corona-Zeit (also im April 2020) an Werktagen mit Kinderbetreuung und Hausarbeit verbracht haben. In der Darstellung wird unterschieden zwischen Personen, die zur Zeit der Befragung Vollzeit arbeiten, Personen, die nicht erwerbstätig sind und Personen, die in anderen Erwerbsformen arbeiten (u.a. Teilzeit, Kurzarbeit und Ausbildung). Die horizontalen Linien, die an den jeweiligen Punkten, die die Mittelwerte markieren, abgetragen sind, geben die 95%-Konfidenzintervalle für den jeweiligen Mittelwert (und somit die durch die Stichprobenerstellung erzeugte Unsicherheit in den Schätzungen) wieder.

Bezüglich der Kinderbetreuung zeigt sich: Erwartungsgemäß steigt im Vergleich zum Vorjahr im April 2020 über alle Erwerbsgruppen hinweg die Anzahl der Stunden, die im Durchschnitt an einem Werktag für die Kinderbetreuung aufgebracht werden: Für Frauen, die Vollzeit arbeiten steigt sie um circa 3 Stunden, für nicht erwerbstätige Frauen um 2 Stunden und für Frauen, die einer anderen Erwerbsform nachgehen, um 2,3 Stunden. Für in Vollzeit erwerbstätige Männer steigt sie im Durchschnitt um 2 Stunden, bei allen anderen Männern sind es im Schnitt 3,3 Stunden.

Bezüglich der Erwerbstätigkeit zeigt sich: Vollzeit erwerbstätige Frauen und Frauen, die einer anderen Form der Erwerbstätigkeit nachgehen (z.B. in Teilzeit arbeiten), verbringen im April 2020 im Vergleich zum Vorjahr etwa eine halbe Stunde täglich mehr mit Hausarbeit, während die Hausarbeitszeit für nicht erwerbstätige Frauen unverändert bleibt. Die tägliche Hausarbeitszeit der Männer erhöhte sich in der Corona-Zeit unabhängig vom Erwerbsstatus um durchschnittlich 30 Minuten.

Eine Unterscheidung nach Ost- und Westdeutschland zeigt keine wesentlichen Unterschiede in den täglichen Stunden, die Männer und Frauen mit Kindern bis zu 16 Jahren für die Kinderbetreuung und die Hausarbeit aufbringen. Ein entsprechender Befund ist in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.


Fazit (1/2):

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl Männer als auch Frauen in Haushalten mit Kindern bis zu 16 Jahren im April 2020 im Durchschnitt mehr Stunden für die Kinderbetreuung und im Haushalt aufgebracht haben. Zudem zeigt sich, dass sich dieser zeitliche Mehraufwand nur marginal zwischen Frauen und Männern unterscheidet. Dieser Befund weist auf eine im Durchschnitt gleichmäßige Aufteilung der Mehrbelastung zwischen Männern und Frauen bei der Kinderbetreuung und bei der Hausarbeit hin.

Die Frage danach, ob sich die Verhaltensmuster, die sich in den letzten Wochen in den Familien durch die durch Corona bedingten Einschränkungen herausgebildet haben, auch über die Zeit der Ausgangssperren, Schulschließungen und etc. fortbestehen, lässt sich erst in der Zukunft beantworten. Dennoch ist positiv anzumerken, dass sich im April 2020 sowohl Frauen als auch Männer zu sehr ähnlichen Anteilen an der Mehrarbeit beteiligt haben, die durch die Ausgangsbeschränkungen entstanden sind—und dies sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland. Ein Faktor, der dies begünstigt haben dürfte, ist die Möglichkeit für viele Erwerbstätige von zu Hause aus zu arbeiten. Flexiblere Arbeitszeiten (auch für Väter) stellen ebenso eine mögliche Erklärung für diese Situation dar.

Anmerkungen (1/2): (i) Diese Analyse differenziert nicht nach Lebensalter des Kindes bzw. der Kinder. Somit können keine Aussagen darüber getroffen werden, in welchem Lebensalter welche Betreuungszeit jeweils von Vätern und Müttern übernommen wurden. (ii) Gleiches gilt für die Anzahl an Kindern. Auch hier ermöglicht die Analyse keine Aussage darüber, wieviel Zeit jeweils auf jedes Kind entfiel. (iii) Für 2019 wurden die Angaben von insgesamt 7,742 Personen in Haushalten mit Kindern bis zu 16 Jahren ausgewertet (3,360 Männern und 4,382 Frauen). Für die Corona-Zeit im April 2020 wurden Angaben von 1,543 Personen ausgewertet (516 Männern und 1027 Frauen). Alle Angaben wurden gewichtet um für Ausfälle in der Stichprobe zu korrigieren und hinsichtlich Haushaltsgröße, Haushaltstyp, Bundesland, Gemeindegrößenklasse, Nationalität, Geschlecht und Alter an die Verteilungen der derzeit verfügbaren Mikrozensusdaten angepasst. (iv) Eine Auswertung der Daten nach erreichtem Bildungsabschluss ergibt keine wesentlich anderen Erkenntnisse als die Auswertung nach Erwerbsstatus. (v) Die hier beschriebenen Befunde bestätigen nicht die im DIW Wochenbericht “Corona-Krise erschwert Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor allem für Mütter – Erwerbstätige Eltern sollten entlastet werden” (https://www.diw.de/de/diw_01.c.787888.de/publikationen/wochenberichte/2020_19_1/corona-krise_erschwert_vereinbarkeit_von_beruf_und_familie_v___r_muetter_____erwerbstaetige_eltern_sollten_entlastet_werden.html?pic=figure3#figure3) geäußerten Befürchtungen, dass sich in der Corona-Zeit die bereits bestehenden Unterschiede zwischen Müttern und Vätern bezüglich der Zeit, die für Betreuungs- und Hausarbeit aufgebracht wird, weiter wesentlich vergrößern.

Wie zufrieden sind Eltern mit dem Krisenmanagement der Schulen?

Schulschließungen haben sowohl die Kultusministerien als auch die Lehrer und die Eltern vor neue Herausforderungen gestellt. Obwohl sich bereits Anfang März abzeichnete, dass diese Maßnahme ergriffen werden wird, hat dies am Ende alle Beteiligten relativ unvorbereitet getroffen. Es war vollkommen unklar, wie lange die Schulen geschlossen bleiben sollten und ob und wenn ja wie Schülerinnen und Schüler weiter beschult werden sollen.

Relativ schnell wurden allerdings kompetente Stimmen laut, die klarmachten, dass sich Schulkinder weiterhin mit dem Schulstoff beschäftigen müssen, um einen „Lernstopp“ zu vermeiden (z.B. https://www.ifo.de/node/53796). Nur gab es kein Konzept oder gar eine geeignete oder erprobte Plattform, die hierfür deutschlandweit oder auch nur für alle Schulen eines Bundeslands genutzt werden konnte. Jede Schule war gezwungen sich selbst auf die neue Situation einzustellen und Mittel und Wege zu finden, um mit ihren Schülerinnen und Schülern in Kontakt zu treten und Lernmaterial zur Verfügung zu stellen. Dementsprechend haben die Schulen sehr unterschiedliche Strategien genutzt.

Wir haben diese Vermittlungskanäle in unserer Studie von den Eltern (für ihre jüngsten Schulkinder) abgefragt. Für April 2020 gaben insgesamt 26% der Eltern an, Materialen per E-Mail erhalten zu haben. Der Unterschied zwischen Schulen in Ost- und Westdeutschland war hierbei gering: 24% im Vergleich zu 27%. Materialen per Server oder Cloud gab es für insgesamt 18% der Eltern (für ihr jüngstes Schulkind). Im Schnitt erhielten Eltern in Ostdeutschland Lernmaterial vor der Schulschließung in 51% der Fälle, Eltern in Westdeutschland in 54% der Fälle. Konferenzschaltungen, um mit den Kindern digital in Kontakt zu treten, gab es im April 2020 in Ostdeutschland für 14% und in Westdeutschland für 22% aller jüngsten Schulkinder in einem Haushalt. Immerhin 2% aller Schulen haben den Eltern überhaupt kein Material für das Lernen zu Hause zur Verfügung gestellt. Einen anderen Weg zur Informationsvermittlung (z.B. durch Abholen der Materialen direkt bei der Schule oder einem anderen Ort) gab es (im April 2020) für 14% aller jüngsten Schulkinder in einem Haushalt. Es ist davon auszugehen, dass die Zufriedenheit der Eltern mit dem Krisenmanagement der Schule (die ihr jüngstes Kind besucht) von der Art und Weise abhängt, wie die Lernmaterialen übermittelt wurden. Die untenstehende Abbildung zeigt den entsprechenden Zusammenhang (weiße Punkte), auf einer Skala von -1 bis 1 sowie den Anteil der Vermittlungswege, der den Eltern angeboten wurde (Prozentzahlen in Klammern). Die horizontalen Linien geben die 95%-Konfidenzintervalle für die jeweiligen Zusammenhangswerte an (und somit die durch die Stichprobenerstellung erzeugte Unsicherheit in der Schätzungen).

Insgesamt hängt die Zufriedenheit der Eltern nur bedingt von den Übermittlungswegen ab. Wir finden zum Beispiel keinen wesentlichen Zusammenhang für E-Mail oder Konferenzschaltungen. Positive Zusammenhänge verzeichnen wir in Ostdeutschland für das Nutzen eines Servers oder einer Cloud sowie in Westdeutschland für die Bereitstellung von Lernmaterialen vor der Schulschließung. In Ostdeutschland führen andere Methoden der Lernmaterialienweitergabe (wie z.B. das persönliche Abholen bei der Lehrerin oder der Schule) zu einer größeren Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Schule. Eltern, die von der Schule überhaupt kein Lernmaterial zur Verfügung gestellt bekommen haben, sind im Gegenzug dazu sichtlich unzufrieden. Das heißt, die Zufriedenheit der Eltern bewegt sich in einem positiven Bereich, falls die Schulen zumindest auf irgendeine Weise reagiert haben. In Summe haben 39% der Eltern Materialen auf mehreren der benannten Wege erhalten. Dies wird sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland als positiv bewertet. Zwischen Ost- und Westdeutschland gibt es insgesamt nur kleine Unterschiede in der Zufriedenheit der Eltern mit dem Krisenmanagement der Schule. Gleiches gilt auch für die Anteile der Eltern in Bezug auf die von den Schulen genutzten Übermittlungskanäle.

Fazit (2/2):

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass im April 2020 dem Großteil der Eltern (für ihre jüngsten Schulkinder) Lernmaterialien von der Schule zur Verfügung gestellt wurde. Somit waren die meisten Schulen auch ohne deutschlandweit einheitliches Konzept oder eine entsprechende Plattform in der Lage mit den Eltern ihrer Schülerinnen oder Schülern bzw. ihren Schülerinnen und Schülern direkt in Kontakt zu treten. Dies deutet auf eine große Flexibilität und Improvisationsvermögen der Schulen, Schulleiter und Lehrkräfte hin, auch in Ausnahmesituationen effektiv und zielgerichtet reagieren zu können. Dennoch überrascht der niedrige Anteil an digitalen Lösungen: gerade einmal 18 Prozent der Eltern haben Lernmaterial über einen Server bzw. eine Cloud erhalten. In Ostdeutschland wurden im April 2020 nur 13 Prozent der Eltern Konferenzschaltungen für ihre jüngsten Schulkinder angeboten. In Westdeutschland waren es immerhin 22 Prozent. Dennoch ist dieser Anteil im Zeitalter der Digitalisierung als geradezu spärlich anzusehen. Es ist eindeutig Zeit, dass die Schulen diesbezüglich deutschlandweit aufrüsten.

Anmerkungen (2/2): (i) In dieser Auswertung wurde nicht zwischen Schulformen unterschieden, da diese Information für die SOEP-CoV Studie nicht vorliegt. (ii) Gleichermaßen wurden für die Auswertungen alle Schulkinder zusammen betrachtet. Somit können aus den Ergebnissen keinerlei Rückschlüsse hinsichtlich der Passung der Maßnahmen zum Alter und / oder der Jahrgangsstufe der Schulkinder gemacht werden. (iii) Für diese Analyse wurden Angaben von 1,311 Eltern (aus unterschiedlichen Haushalten) mit Kindern im Schulalter ausgewertet. Alle Angaben wurden gewichtet um für Ausfälle in der Stichprobe zu korrigieren und hinsichtlich Haushaltsgröße, Haushaltstyp, Bundesland, Gemeindegrößenklasse, Nationalität, Geschlecht und Alter an die Verteilungen der derzeit verfügbaren Mikrozensusdaten angepasst. (iv) Aussagen über die Qualität der zur Verfügung gestellten Materialen sind mit den SOEP CoV Daten nicht möglich.


Ich möchte an dieser Stelle Michaela Kreyenfeld für Ihre wertvolle Mithilfe bei der Auswertung der SOEP-CoV Daten zum Thema “Kinderbetreuung und Haushalt” danken.

DE