SOEP-CoV Spotlight #4

Ergebnisbericht, Version: 04.02.2021

Wie die (Frei-)Zeit vergeht

von Hans Walter Steinhauer

Seit Beginn der Corona-Pandemie war hierzulande “Zu Hause bleiben” angesagt. Viele Menschen konnten nicht mehr ihren gewohnten Freizeitaktivitäten nachgehen und auch die Möglichkeiten, Zeit mit Bekannten und Freunden zu verbringen, waren begrenzt. Wie haben nun also die Menschen in Deutschland während des ersten Lockdowns ihre Freizeit verbracht? Und wie hat sich ihr Freizeitverhalten im Vergleich zum Vorjahr verändert? Um dies herauszufinden wurden Daten der SOEP-CoV-Studie analysiert, für die Menschen ab 18 Jahren im Zeitraum zwischen April 2020 bis Anfang Juli 2020 befragt wurden. Darüber hinaus wurden auch Angaben der Befragten aus dem Jahr 2019 berücksichtigt.

Freizeitaktivitäten im Lockdown: Die Menschen zocken genauso viel wie zuvor, treiben aber mehr Sport

In der SOEP-CoV-Studie wurde die Häufigkeit folgender Aktivitäten abgefragt.

  • Erholen: Einfach nichts tun / abhängen / träumen
  • Fernsehen: Fernsehen / Filme, Serien oder Videos sehen (auch Mediatheken / Internet-Streams / DVD / etc.)
  • Kunst: Künstlerische und musische Tätigkeiten (Malerei, Musizieren, Fotografie, Theater, Tanz)
  • Lesen: Lesen von (Tages-)Zeitungen (auch ePaper)
  • Reparaturen: Reparaturen an Haus, Wohnung oder Fahrzeugen / Gartenarbeit / Fahrzeugpflege
  • Soziale Netzwerke: Nutzen sozialer Online-Netzwerke / Chat-Dienste (z.B. Facebook / Instagram / Twitter / WhatsApp)
  • Sport: Aktive sportliche Betätigung
  • Zocken: Spielen von Computer- / Online- / Konsolen- oder Smartphonespielen

Die Angaben wurden in den Kategorien täglich, wöchentlich, seltener und nie zusammengefasst, so dass mit Hilfe gewichteter Analysen das Freizeitverhalten während des ersten Lockdowns im Jahr 2020 mit dem im Jahr 2019 verglichen werden kann.

Zunächst wird der Anteil der Personen, die eine bestimmte Aktivität (beispielsweise Sport) in einer bestimmten Häufigkeit (beispielsweise täglich) ausüben für die beiden Jahre 2019 und 2020 gegenübergestellt. Die Abbildungen 1 (Täglich) bis 4 (Nie) zeigen für die einzelnen Aktivitäten (y-Achse) die geschätzten Anteilswerte (Punkte) mit ihrem 95%-Konfidenzintervall (senkrechte Striche links und rechts der Punkte) für die Jahre 2019 (rot) und 2020 (grau) getrennt nach der Häufigkeit der Aktivität (in den jeweiligen Tabs). Betrachtet man beispielsweise den Anteil der Personen, die täglich Sport machen in Abbildung 1, zeigt sich ein deutlicher Anstieg von 18,3 Prozent im Jahr 2019 auf 27,3 Prozent im Jahr 2020. Auch der Anteil der Personen, die täglich Reparaturen durchführen, künstlerischen oder musischen Tätigkeiten nachgehen oder sich erholen steigt teilweise deutlich an. Hingegen nimmt der Anteil der Menschen, die täglich zocken, die sozialen Netzwerke nutzen oder fernsehen nur wenig zu. Weiterhin fällt auf, dass sich während des ersten Lockdowns weniger Menschen wöchentlich (Abbildung 2) oder seltener (Abbildung 3) sportlich betätigen als im Vorjahr. Gleichzeitig treiben mehr Menschen überhaupt keinen (nie) Sport. Ein ähnliches Muster findet sich auch in Bezug auf das Erholen. Was künstlerische und musische Aktivitäten betrifft, steigt lediglich der Anteil der Personen deutlich, die sich nie künstlerisch oder musisch betätigen (Abbildung 4).

Anteile der Personen nach täglichen Aktivitäten.

Abbildung 1: Anteile der Personen nach täglichen Aktivitäten.

Anteile der Personen nach wöchentlichen Aktivitäten.

Abbildung 2: Anteile der Personen nach wöchentlichen Aktivitäten.

Anteile der Personen nach Aktivitäten, die seltener ausgeübt werden. .

Abbildung 3: Anteile der Personen nach Aktivitäten, die seltener ausgeübt werden.

Anteile der Personen nach Aktivitäten, die nie ausgeübt werden.

Abbildung 4: Anteile der Personen nach Aktivitäten, die nie ausgeübt werden.

Veränderungen in der Freizeit: Die Menschen machen weniger Kunst und Musik, führen aber häufiger Reparaturen durch

Heißt das nun, dass mehr Personen im ersten Lockdown bestimmte Aktivitäten häufiger (beispielsweise täglich Sport) oder seltener (nie Kunst) ausgeübt haben als im Vorjahr? Darüber geben die Abbildungen 5 (Erholen) bis 12 (Zocken) Aufschluss. Diese sind in den einzeln dargestellten Tabs hinterlegt und müssen angeklickt werden, um sie sichtbar zu machen. Sie zeigen für das Jahr 2019 und die Zeit des ersten Lockdowns 2020 (x-Achse) die Anteile der Personen (y-Achse), die der jeweiligen Aktivität in einer bestimmten Häufigkeit (Einfärbung: täglich in hellrot, wöchentlich in hellgrau, seltener in dunkelgrau und nie in dunkelrot) nachgegangen sind. Ausgehend von den Häufigkeiten im Jahr 2019 werden die Übergänge zu den Häufigkeiten im Jahr 2020 zwischen den beiden Balken in den leicht transparenten Verläufen dargestellt. Hinter den nachfolgenden Tabs sind die übrigen Freizeitaktivitäten analog zu Abbildung 5 (Erholen) dargestellt. So lassen sich die in den Abbildungen 1 bis 4 dargestellten Veränderungen detaillierter betrachten: Beispielsweise ist der Anteil der Personen, die sich täglich erholen, über die Zeit hinweg anstiegen. Dieser Anteil lag im Jahr 2019 bei 29,2 Prozent (linker Balken, hellroter Teil) und in 2020 bei 37,2 Prozent (rechter Balken, hellroter Teil). Gleichzeitig haben sich zunehmend weniger Menschen wöchentlich erholt (Abbildung 5)

Tatsächlich ändert der Großteil der Personen ihr Freizeitverhalten kaum. In Bezug auf das Erholen ist das zu sehen in den Verläufen zwischen denselben Einfärbungen der beiden Jahre. Diese geben die Häufigkeit der Aktivität wider. Der Anteil an Personen, die ihr Verhalten bezüglich des täglichen Erholens nicht geändert haben liegt bei 17,1 Prozent (hellroter Verlauf von 2019 nach 2020). Auch andere Personen haben ihr Verhalten hier nicht verändert; zu sehen in den Verläufen von hellgrau zu hellgrau (wöchentliche Erholung), von dunkelgrau zu dunkelgrau (seltene Erholung) und von dunkelrot zu dunkelrot (gar keine Erholung). Allerdings gab es auch durchaus Änderungen in der Häufigkeit, in der bestimmte Personen, sich erholen. So gibt es Verschiebungen von täglichem zu wöchentlichem Erholen und in die entgegengesetzte Richtung. Weniger oft erholen sich, im Sinne von einem täglichen Erholen in 2019 hin zu einem wöchentlichen Erholen, 6,2 Prozent der Bevölkerung (von 2019 ausgehender, hellroter, abfallender Verlauf). Einen Anstieg des Häufigkeit des Erholens, im Sinne von einem wöchentlichen Erholen hin zu einem täglichen Erholen, ist für 10,6 Prozent der Bevölkerung zu verzeichnen (von 2019 ausgehender, hellgrauer, aufsteigender Verlauf).

Vor allem in Bezug auf künstlerische und musische Aktivitäten, Lesen, die Durchführung von Reparaturen und Sport hat sich das Freizeitverhalten deutlich verändert. So ist der Anteil derjenigen, die sich nie künstlerisch und musisch betätigen (Abbildung 7) von 50,7 Prozent im Jahr 2019 auf 67,2 Prozent im Jahr 2020 deutlich angestiegen. Vor allem Menschen, die 2019 noch angegeben haben, seltener künstlerisch oder musisch aktiv zu sein, waren es zur Zeit des Lockdowns gar nicht mehr (nie). Dies betrifft 18,7 Prozent der Bevölkerung; zu sehen im untersten dunkelgrauen Verlauf. Gleichzeitig ist der der Anteil derjenigen, die täglich und wöchentlich Reparaturen durchführen, gestiegen (Abbildung 9). Offensichtlich haben viele die Zeit zu Hause genutzt, um Reparaturen an Haus, Wohnung oder Fahrzeugen durchzuführen, im Garten zu arbeiten oder ihre Fahrzeuge zu pflegen. Ähnliche Veränderungen und Verläufe finden sich beim Lesen und beim Sport.

Bei anderen Aktivitäten scheint sich der Anteil der Personen, die beispielsweise täglich fernsehen (Abbildung 1), von 2019 auf 2020 kaum zu ändern. Wie die Verläufe in Abbildung 6 zwischen den beiden Zeitpunkten jedoch zeigen, ändern auch hier die Menschen ihren Fernsehkonsum. Allerdings heben sich die Veränderungen von täglichem hin zu wöchentlichem Fernsehkonsum (und umgekehrt) im Endeffekt fast auf. Was somit beim Vergleich der Anteile der Personen, die täglich fernsehen, für Jahre 2019 und 2020 verbleibt sind unter dem Strich geringfügige Veränderungen, die sich durch gegenläufige Änderungen im Fernsehkonsum ergeben. So gleichen sich die Anteile der Personen, die einer Aktivität häufiger nachgehen, in Summe teilweise mit dem Anteil der Personen, die eine Aktivität weniger häufig ausüben, wieder aus. Dies ist insbesondere bei den Aktivitäten Fernsehen, der Nutzung sozialer Netzwerke und dem Zocken zu beobachten.


Erholen: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Abbildung 5: Erholen: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Fernsehen: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Abbildung 6: Fernsehen: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Kunst: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Abbildung 7: Kunst: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Lesen: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Abbildung 8: Lesen: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Reparaturen: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Abbildung 9: Reparaturen: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Sozialen Netzwerke: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Abbildung 10: Sozialen Netzwerke: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Sport: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Abbildung 11: Sport: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Zocken: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Abbildung 12: Zocken: Anteile der Personen nach Jahr und Häufigkeit samt Veränderung.

Aktivitäten nach Haushaltstyp: Alleinlebende können sich am häufigsten täglich erholen, Alleinerziehenden fehlt dafür die Zeit.

Der erste Lockdown traf die Menschen in Deutschland auf unterschiedliche Weise. Viele waren während dieser Zeit mit ihren Kindern zu Hause und dadurch weniger flexibel in ihrer Freizeitgestaltung als zuvor. Menschen, die alleine oder als Paar ohne Kinder leben, hatten mehr Möglichkeiten. Die Abbildungen 13 (Erholen) bis 16 (Sport) zeigen diese Unterschiede genauer. Sie zeigen für die unterschiedlichen Haushaltstypen (y-Achse) die geschätzten Anteilswerte (Punkte) und ihr 95%-Konfidenzintervall (senkrechte Striche links und rechts der Punkte) für die Jahre 2019 (rot) und die Zeit des ersten Lockdowns im Jahr 2020 (grau) getrennt nach der Häufigkeit (nur täglich und wöchentlich) der Aktivität.

Unterschiede zwischen den Haushaltstypen im Freizeitverhalten fallen besonders stark bei den täglichen Aktivitäten auf. Hier zeigt sich beispielsweise, dass sich mehr Menschen in Einpersonenhaushalten täglich erholen (Abbildung 13) als Paare ohne Kind(er) oder Alleinerziehende. Unter den Menschen in Paarhaushalten mit Kind(ern) finden sich die wenigsten Menschen, die sich täglich erholen.
Insgesamt betrachtet erholen sich die Menschen 2020 häufiger täglich als im Vorjahr. Eine Ausnahme sind jedoch die Alleinerziehenden, die dafür durch die zusätzlichen Belastungen keine Zeit gehabt haben dürften.

Auch der Anteil der Menschen, die täglich lesen, ist während des Lockdowns deutlich größer als im Vorjahr. Allerdings finden sich auch hier deutliche Unterschiede je nach Haushaltstyp (Abbildung 14).

Es gibt auch Freizeitverhalten, bei denen sich die einzelnen Haushaltstypen im Vorjahr kaum unterschieden haben. Dies ist zum Beispiel bei der täglichen sportlichen Betätigung (Abbildung 16) zu sehen. Betrachtet man den Anstieg der täglichen sportlichen Betätigung im Jahr 2020, fallen hingegen deutliche Unterschiede zwischen den Haushaltstypen auf. Ähnliches gilt in Bezug auf das tägliche Reparieren: Dies war während des Lockdowns insbesondere in Paarhaushalten (mit und ohne Kinder) besonders beliebt. (Abbildung 15).


Erholen: Anteile der Personen nach Haushaltstyp und Häufigkeit.

Abbildung 13: Erholen: Anteile der Personen nach Haushaltstyp und Häufigkeit.

Lesen: Anteile der Personen nach Haushaltstyp und Häufigkeit.

Abbildung 14: Lesen: Anteile der Personen nach Haushaltstyp und Häufigkeit.

Reparaturen: Anteile der Personen nach Haushaltstyp und Häufigkeit.

Abbildung 15: Reparaturen: Anteile der Personen nach Haushaltstyp und Häufigkeit.

Sport: Anteile der Personen nach Haushaltstyp und Häufigkeit.

Abbildung 16: Sport: Anteile der Personen nach Haushaltstyp und Häufigkeit.

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich in einigen Bereichen das Freizeitverhalten deutlich geändert hat. In Bezug auf die regelmäßige Durchführung (täglich oder wöchentlich) bestimmter Aktivitäten betrifft dies insbesondere die Aktivitäten Erholen, Lesen, Reparaturen, Sport und zu einem kleineren Teil auch Kunst. Wenig Veränderung gab es hier hingegen bei den Aktivitäten Fernsehen, Nutzung Sozialer Netzwerke und Zocken. Die Veränderungen im Freizeitverhalten sind dabei jedoch nicht auf eine Änderung des Freizeitverhaltens in eine bestimmte Richtung zurückzuführen. Vielmehr ist es immer ein Effekt aus gegenläufigen Veränderungen, der unter dem Strich zu einem Steigen oder Fallen den Anteils an Personen führt, die einer bestimmten Freizeitaktivität in der jeweiligen Häufigkeit nachgehen. Die Betrachtung des Freizeitverhaltens nach Haushaltstyp hat gezeigt, dass sich je nach Aktivität, Häufigkeit Jahr für die einzelnen Haushaltstypen sowohl Gemeinsamkeiten als auch deutliche Unterschiede finden lassen. Alles in Allem sind die Deutschen mit ihrer Freizeit überwiegend zufrieden, wenn auch etwas weniger als noch im Vorjahr. Das zeigt sich bei der Betrachtung der gewichteten Mittelwerte für die Zufriedenheit (gemessen auf einer Skala von 0 bis 10). Die Zufriedenheit mit der Freizeit lag im Jahr 2019 im Mittel bei 7,22 (Konfidenzintervall [7,15; 7,3]). Dieser Wert ist im Jahr 2020 leicht gesunken auf 6,56 (Konfidenzintervall [6,47; 6,65]).


An dieser Stelle möchte ich Cyntia Rochelmeyer für die Inspiration zu diesem Spotlight danken.

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